Gastbeitrag von Ashok Riehm Kapital ist der Treibstoff jeder Unternehmung. Investitionen in neue Maschinen und…
Der Weg zur Wirtschaftsmediation
Gemeinsam Gewinnen statt Siegen oder Verlieren
Mediation geht auf den Wortursprung „Vermitteln“ zurück. Genau das ist die Aufgabe des Mediators. Er entscheidet nicht wie ein Richter oder Schlichter sondern begleitet die Streitparteien auf dem gemeinsamen Weg zu einer zukunftsorientierten Lösung. Das Verfahren kommt aus den USA und basiert auf dem Harvard Verhandlungskonzept (Fisher/Ury/Patton: Das Harvard Konzept, erschienen im Campus Verlag). In den Staaten ist Wirtschaftsmediation längst ein fester Bestandteil der Streitkultur, auch im B2B Bereich. Übrigens, mit Meditation hat Mediation nichts zu tun.
Der folgende Praxisfall soll einen Einblick in die Möglichkeiten der Wirtschaftsmediation geben:
Meier (nachfolgend „M“ genannt) ist seit vielen Jahren Franchisenehmer bei Franchisegeber Huber (nachfolgend „H“ genannt). Gegenstand ist der Verkauf von speziellen Textilien auf Wochenmärkten. Vor zwei Jahren wurde der Vertrag um 10 Jahre verlängert. Letztes Jahr ist der Geschäftsverlauf rückläufig und M ärgert sich über manche Vorkommnisse: die Lieferungen erfolgen nicht immer pünktlich, die Franchisegebühr ist gestiegen und die Produktqualität gibt Anlass zu Beanstandungen. M möchte den Vertrag beenden und als H darauf nicht eingeht, kündigt M den Vertrag aus wichtigem Grund.
Der Anwalt von H weist die Kündigung als rechtlich unwirksam zurück und besteht auf Vertragseinhaltung bzw. auf Zahlung einer sehr hohen Vertragsstrafe. Der Streit eskaliert.
Es braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, wie diese Auseinandersetzung weitergehen würde:
Ein Schriftsatz der Anwälte jagt den anderen; Zeugen werden „gesichert“, Beweissicherungsverfahren eingeleitet und Gutachter beauftragt. Erste Instanz, zweite Instanz, BGH? Jahre, die Geld, Zeit und Nerven kosten.
Im vorliegenden Fall entschieden sich die Streitparteien für die Durchführung einer Mediation. Über die IHK München finden sie schnell einen qualifizierten Wirtschaftsmediator.
Beide Medianten sind mit ihrem Anwalt gekommen, was möglich aber nicht zwingend erforderlich ist. Die Aufgabe des Mediators ist es, zunächst seine Rolle (neutral und überparteilich) zu erläutern und das Einverständnis einzuholen, dass er „Herr des Verfahrens“ ist. Die Gesprächsregeln (Ausreden lassen, keine persönlichen Beschuldigungen, Sprechen zum Mediator) folgen. Und schließlich die Klarstellung, dass der Mediator für den Verlauf, die Medianten für das Ergebnis verantwortlich sind. Der Mediationsvertrag wird unterschrieben, der im Übrigen auch regelt, dass die Kosten des Mediators von beiden Seiten hälftig getragen werden.
Danach schildern die Anwälte von M und H die Sach- und Rechtslage aus ihrer Sicht; ergänzende Infos kommen von den Medianten. Der Mediator hört gut zu, stellt Verständnisfragen und fasst den Sachvortrag jeweils zusammen. Er achtet auf etwa gleichlange Redeanteile. Jetzt folgt die für den weiteren Verlauf entscheidende Phase. Der Mediator versucht durch gezieltes und geschicktes Nach- und Hinterfragen zu ergründen, was die eigentlichen Interessen der beiden Medianten hinter deren Positionen sind.
Franchisenehmer M:
Nach Geburt des ersten Kindes im Vorjahr hat seine Frau zu Arbeiten aufgehört. Das Familieneinkommen muss er nun alleine bestreiten. Aus dem Einzelhandelsgeschäft kann er den Lebensunterhalt aber nicht (mehr) verdienen. Er möchte sich beruflich verändern und deshalb aus dem Vertrag ohne Vertragsstrafe entlassen werden.
Franchisegeber H:
Er will die Geschäftsbeziehung erhalten, sieht aber sehr wohl auch bei anderen Franchisenehmern, dass die Umsätze rückläufig sind. Deshalb hat er ein neues Preismodell entwickelt und im Test. Weiter denkt er über einen zweiten Vertriebsweg nach. Dabei sollen seine Franchisenehmer zusätzlich als regionale Großhändler tätig werden.
In diesen Darstellungen wird schon der Schlüssel für die Konfliktlösung sichtbar. Gezielt und behutsam führt der Mediator die Beteiligten auf eine Verhandlungslösung hin. Nach ausführlicher Diskussion mehrerer Alternativen erarbeiten die Medianten unterstützt durch ihre Anwälte schließlich folgenden Lösungsvorschlag:
- Der Franchisevertrag wird um 5 Jahre gekürzt und im Übrigen vertragsgemäß fortgesetzt.
- Der Franchisenehmer wird in das Test-Preismodell aufgenommen und zusätzlich als Großhändler tätig.
- Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten; die Kosten des Mediators tragen beide Parteien je zur
Hälfte.
M konnte also seine Einkommensbasis stärken, H seine Geschäftsbeziehung erhalten und sogar ausbauen. Noch in der Mediationsrunde wird das Ergebnis zu Papier gebracht und von den Parteien rechtsverbindlich unterzeichnet.
Das Mediationsverfahren wurde hier natürlich stark verkürzt wiedergegeben. In Wirklichkeit waren zwei Mediationstermine von jeweils ca. fünf Stunden Dauer notwendig. Die Mediation fand im Übrigen, was sehr wichtig ist, auf neutralem Boden statt.
Natürlich gibt es im Mediationsverfahren keine Garantie für ein Gelingen, aber immerhin verlaufen ca. 80% der Verfahren erfolgreich. Der Versuch lohnt sich also allemal, zudem die Rechtsposition für einen später doch erforderlichen Gang zum Gericht nicht beeinträchtigt wird.
Abschließend die Vorteile im Überblick
- Das Mediationsverfahren ist freiwillig und kann einseitig jederzeit beendet werden.
- Es spart Zeit und Geld.
- Es ist vertraulich und nicht öffentlich.
- Es ist selbstbestimmt – weder der Mediator noch ein Dritter entscheidet in der Sache.
- Es erhält oder schont die Geschäftsbeziehung.
- Es setzt auf eine Win-win-Situation, kennt also keinen Sieger und Verlierer.
Der Münchner Wirtschaftsmediator Viktor Müller (58) hat sich nach jahrzehntelanger Berufstätigkeit vornehmlich im Bankgewerbe, aber auch als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens im Jahr 2007 selbstständig gemacht. Seine Ausbildung erfuhr er bei der IHK München. Weitere Informationen finden Sie unter www.wirtschaftsmediation-mueller.de.
Foto: thinkpanama (Lizenz)
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